Gibt es nicht etwas Nützlicheres als Latein?

„Es gibt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf. Jeder ist offenbar nur dann guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäftsmann, wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist. Gibt ihm der Schulunterricht, was hierfür erforderlich ist, so erwirbt er die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher so leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum anderen überzugehen.“
(Wilhelm von Humboldt)

Ja, wenn man den schnellen Nutzen im Blick hat. Dem widersetzt sich allerdings nicht nur das Fach Latein, sondern das Gymnasium insgesamt. Anders als den beruflichen Schulen geht es dem Gymnasium nicht um die schnelle Aus-bildung auf einen Beruf hin, sondern um eine breite und vertiefte Allgemeinbildung, die aller Nutzanwendung und Spezialisierung vorausliegt. Genau das meint das Humboldtsche Bildungsideal, auf welches sich das Gymnasium seit zwei Jahrhunderten beruft.

Der vorschnellen Orientierung am Nutzen, wie sie PISA, die OECD und Teile der Wirtschaft fordern, wird zunehmend „der Nutzen des Übernützlichen“ für die Persönlichkeitsbildung entgegengesetzt. Junge Menschen sollen sich vor allem damit beschäftigen, woher wir und unsere Kultur kommen, welche Werte das Leben lebenswert machen und worin der Sinn unseres Daseins liegen könnte. Letztlich geht es am Gymnasium um die Frage nach dem Wahren, dem Schönen und Guten – ein Auftrag, den unsere Verfassung allen allgemeinbildenden Schulen erteilt.

In diesem Bildungshorizont hat das Fach Latein seinen Platz.

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